SdT – zurück in den Niederungen

EINS

Eine Freundin erzählte in einem Gespräch von einer Debatte:

Eine amerikanische Künstlerin nicht afrikanischer Abstammung habe ein Bild verwendet, dass in den Medien erschienen war und die Erschießung eines Amerikaners afrikanischer Abstammung durch einen Polizisten zeige. Diese Arbeit – die mir nicht bekannt ist – sei stark angegriffen worden von der afroamerikanischen Community.

 

Sie eigne sich das Leid einer Gruppe an, die nicht sie ihre sei und die von jener Gruppe, zu der sie qua Geburt gehöre über lange Zeit gedemütigt, ausgenutzt, misshandelt – und in diesem Falle – getötet worden sei. Sie habe nicht das Recht, dieses Leid auszunutzen, ja, es sei unethisch, sich dieses Leids zum eigenen Vorteil, ja, Ruhm bemächtigen zu wollen.

 

Nun kann man diese Vorwürfe als berechtigt ansehen und sich wünschen, die Arbeit wäre so nicht entstanden. Könnte sich weigern, sie anzusehen, wahrzunehmen, ein Ausstellungsverbot erwirken, die Künstlerin für diese Arbeit kritisieren …

 

Möglich ist aber auch, anzunehmen, dass die Diskussion über diese Arbeit wiederum ein allgemeines gesellschaftliches Verfahren thematisiert, das problematisch ist (Appropriation nicht genuiner Werte, Zuschreibungen aufgrund von Ethnie und Status, positive wie negative Diskriminierung u.a.m.).

Dann hätte die Arbeit einen wichtigen Anstoß geliefert und müsste gezeigt werden, bis der Sprengstoff, die Konnotationen und die symbolische Aufladung, mit denen sie affiziert ist, aufgelöst sind, unsichtbar werden, verschwinden.

 

Denkbar auch, dass die Künstlerin mit der Arbeit eine Aussage treffen wollte zum Verhalten "ihrer Ethnie" und das Opfer dazu nicht ausgeblendet werden konnte. Dass diese Arbeit ein Absetzen darstellt, eine Verweigerung, eine Anklage mit den Mitteln, die einer Künstlerin eignen. Das sollte sie dürfen dürfen. 

 

Enge Räume überall und Stolperfallen, wie Gerechtigkeit zu finden sei in einer Gesellschaft, in der wirkmächtige Größen keinen Gedanken darauf verschwenden.

 

ZWEI 

Eine Fortsetzung fand diese Diskussion gestern, als die Sprache auf Astrid Lindgren kam und die Verwendung des Terms "Neger" (als Übersetzung wovon?) in einer Geschichte. Zwischen "Whitewashing" – also das Tilgen jeglichen angreifbaren Diskriminierungsversuchs – und dem Gedanken, dass ein künstlerisches Werk in sich als abgeschlossen zu gelten habe und nicht nach den jeweiligen gesellschaftlichen Vorgaben beliebig umgearbeitet werden könne, ließ sich keine befriedigende Lösung finden, außer eben genau dieser einen: das Thematisieren der Bruchstellen im System, der Widerstände, der Fallen.

 

Das ist sicherlich unbefriedigend, wenn morgen schon alles anders sein soll, aber es erscheint mir der einzige Weg, der ein Problem nicht nur verlagert und wie die Psyche Unaushaltbares verdrängt, bis es an andere Stelle erneut virulent wird, sondern nachhaltig Denken und Fühlen beeinflussen kann. Man nennt es lernen, glaube ich. Wir wünschen uns, dass es mit Freude verbunden sei, aber wir wissen, dass es Arbeit bedeuten kann, und der Moment, in dem diese Arbeit sich in genuines Freuen verwandelt, lange auf sich warten lassen kann. Diese Zeitspanne aushalten zu können, ist, erwachsen zu werden.

05-04-2018

im engen eines schmalen raumes 

raunen rauten und ranken von frühem abschied und schnellem gang.

ich nehme platz auf einer bank ohne lehne, ohne

bein und sitz. mich kitzelt im nacken dein gedanke,

er klingt wie aus silberfäden geflochten und

bricht das verzogene schweigen der wände,

ihr sanftes wesen wie ein kolibri, wie ein eisvogel, wie

 

ein springendes tüchlein im wind

 


04.04.2018

Er spürte das Wasser nach der Hitze des Tages kalt auf seiner Haut aufschlagen, ein Schauer für einen Moment, für den Augenblick, bevor die Bewegungen seiner Muskeln seinen Kreislauf anfeuerten, ihre Kraft sich in Wärme wandelte und das Wasser in einen Freund. 

 

Er hatte einige Kilometer zu schwimmen, in dieser Nacht eine leichte Aufgabe, denn die See war ruhig, kaum Wellenkräuseln, und in seinen Ohren nur das Wassergurgeln seiner Armzüge. Meter um Meter näherte er sich der Linie, die sich vor ihm ausbreitete, sich aus Hunderten einzelner Lichter zusammensetze: still und verlässlich oberhalb des meeresspiegels, zitternd und vibrierend unterhalb. 

 

Er würde versuchen, eine Stelle zu erreichen, die weniger belebt schien, würde sich langsam, schleichend an Land bewegen, die Tüte mit Kleidung und den leichten Stoffschuhen vom Rücken nehmen, hoffen, dass alles trocken geblieben war in dem Kokon aus Klebeband und Folie – er hatte so lange probiert, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war – leichte Kleidung, klein zusammenzulegen, unauffällig, dunkel. 

 

 

Er spürte an der Temperatur des Wassers, an der Strömung unterhalb, dass er sich dem Ufer näherte. Er schwamm behutsamer nun, vermied Spritzer, vermied es, das Wasser aufzuwühlen und schlängelte vorsichtig zwischen der zunehmenden Zahl von Booten und Kuttern, die vor der Küste ankerten. Nicht zu früh auffallen, möglichst überhaupt nicht, und wenn, dann dem Ufer so nahe, dass er für einen abendlichen Schwimmer gehalten werden konnte, ein Nachtschwärmer, der eine Abkühlung suchte, bevor er nachhause gehen würde, ein Zuhause, dass er sich erst noch würde erfinden müssen.

 


 

 

 

 

 

 

 

28.03.2018

 

als sie erkennt, welche schwierigkeiten ihrem plan im wege stehen, will sie es kaum glauben. ihr verstand, der so zuverlässig jede mauer errichten konnte, hinter der sie schutz finden würde und die sie umgibt in zuverlässiger abwehr, wurde ihr amputiert, wurde zu einer waffe, die kein ziel finden konnte, denn die sprache, in die sie ihre gedanken fasste und mit der sie die grenze ziehen konnte zwischen dem aussen und dem selbst, diese sprache teilte keiner der anwesenden und im stumm-sein lag keine zukunft, keine, die sie ihr gestatten würden.

 

30.03.2018

 

"… heute eine sehr schöne frau gesehen. vermutlich japanerin. sanftes lächeln und von schwarzen wimpern von beträchtlicher länge umsäumte augen. hinreißendes lächeln, aber mein fixpunkt blieben ihre augen. nicht, dass ich hätte viel sehen können, sie saß hinter mir, seitlich am rande ihrer gruppe. lächelnd.

… die anderen bestellten, üppig, und sprachen laut und durcheinander während sie aßen. sie saß lächelnd, folgte dem einen oder dem anderen mit ihrem blick.

ich wartete darauf, ob sie mit ihren augen andere ziele suchen, ihren blick durch den raum schweifen lassen und meinem blick begegnen würde, doch sie saß unbewegt und konzentriert alleine auf ihre begleiter.

schade.

und doch..."


16.03.2018

niemals gegen die lauten. 

 

die fliehkraft wirft eine berührung voraus, die 

in deinen krustigen malen kristalle bilden wird 

und mit tippelschritten breitest du laken über wiesen

wirfst haut und haar hinter den fliehenden reiter

erinnerung und birgst in deinem schoß was

 

morgen blinkt und reift ganz ohne wort