SdT im Januar 2 + Februar 1

Nicht jeder Tag bringt einen Satz hervor, den ich hier veröffentlichen mag. Manche Sätze wandern in (Kurz-)Prosa, andere sind Teile eines Gedichtes und manche Tage bleiben stumm…

 


12.02.2018

 

Er schleppt sich, mit zittrigen Knien und geschüttelt von einem bellenden Keuchen, von seinem Bett, seit Tagen in kalter Feuchte ein unkomfortabler und trostloser Ort, in das Badezimmer, die Füße schleifen bei jedem Schritt über den Boden und er stützt sich an den Wänden, weiß, dass er den Anblick seiner fahlen Haut, seiner müden, versunkenen Augen, seines unrasierten Kinnes nicht ertragen würde und meidet den Spiegel, als er nach der letzten ihm verbliebenen Medikamentenschachtel greift, einst von einem jungen, leichtgläubigen Arzt ausgehändigt, die Haltbarkeitsgrenze vor Jahren überschritten, doch mit einem Inhalt, der ihn zugleich in ein erträglicheres Sein wie in den Abgrund führen wird.

 


11.02.2018

Sie zählte die Stunden und Stundenfragmente, die sie auf Küchen-, Haushalts- und Reparaturarbeiten verwendet hatte, um zu beseitigen, was er hinzugefügt hatte, und kam zu dem Schluss, dass sie ihm keine Stunde, keine Minute, keine Sekunde ihres Seins mehr schulde, keinen Raum und keinen Gedanken und griff zum Telefon, orderte den Schlüsseldienst, der versprach, binnen zwei Stunden seien die Schlösser getauscht.

 


06.02.2018

ich notiere einige wenige sätze, ahne, wohin das schreiben gleiten könnte und stehe auf, flüchte, in reales, in dringlicheres, in handfestes, in etwas, das mich nicht zu überfordern droht, gleichzeitig erleichtert wie ernüchtert über die eigene disziplinlosikeit, die feigheit vor dem wort, der entscheidung. als ob ein bild sich zeigen könnte, das zu viel ähnlichkeit mit mir besitzt und daher nie überzeugen kann, bezaubern, mitreißen.

 

das ich ein nichts.

 


01.02.2018

Ermüdende Begrenzung – der Anfang leicht, flirrend, mit flotter Hand und gelungen, aber nicht fertig, nicht ausgelotet, nicht am Ziel, der Weg dahin im Ungefähren, im Dunkeln, und alles Vorantasten, alle Weiterarbeit kann unwiederbringlich alles verderben, alles Gelungene überdecken, auslöschen und dann steht man da mit seinem dummen Gesicht und hilflos, wütend gegen sich selbst, es nicht geschafft zu haben, nicht gut genug gewesen zu sein, ach der Anfang, ohne Kontrolle oder Zensur, aus einem Etwas heraus, über dessen Form und Inhalt man nicht verfügt, es verfügt über das Ich, es fliegt zu, nistet sich ein, flatterhaft, schreckhaft, aus der Luft gegriffen und in Zeichen gebannt, aber eben nur Teilstück, mehr Ahnung als Bild und danach, in jedem Fortgang droht Untergang, droht Verderben, droht Versagen, wenn der Verstand regieren will, formen, wie langweilig, wie erwartbar, wie uninspiriert, aber wo ist sie zu suchen, wo zu finden, die schmale Spur des Schillernden, dieses überzeugenden unreflektierten Konvoluts, dieser scheuen Eingebung, der wundersamen Verwandlung, wie kann man diesem Pfad folgen ohne sich zu verirren, den Faden zu lösen und zu verharren in dem, was immer schon war, bleiern und sinnlos.

 


31.01.2018

sie stieß eher zufällig auf ihn, ein ergebnis einer internet-recherche, ein datum, aus der vergangenheit, nicht mehr präsent, und dann sein name, seine website, seine vita – auch einer, der ziele erreicht hatte, ohne durch viel talent oder inspiration aufzufallen, war er durchgeschlüpft, war teil dieses systems geworden, hatte sich als tauglich erwiesen, hatte sich dort eingenistet, wo ihr platz hätte sein sollen, wieder einer mehr, und die entdeckung paarte verachtung mit kränkung, einem bekannten gefühl, nicht abzuschütteln und bitter.

 


27.01.2018

Der Wanderweg verliert sich zu einem schmalen Pfad, braune Erde zwischen Grasbüscheln und Laub, noch vom vergangenen Herbst, bis auch dieses schmale Band nicht mehr als eine Andeutung ist, eine Spur dunkler, eine Spur flacher als die Umgebung und schließlich, nach einigen Windungen um Felsnasen und niedrige, buschig wachsende Bäume, endet auch diese letzte Ahnung und doch hält er nicht inne, stapft weiter, als sei es nichts, durch dorniges Gestrüpp, über rutschige Wurzeln, unbeirrt zur Schneekante hin, dorthin, wo auch sommers kein Sonnenstrahl sich hin verirrt und keiner der wenigen Touristen, ein Ziel kennt er nicht, nur dieses Vorwärtsgehen, einen Fuß vor den anderen, bis er umfangen ist von knirschendem Eis, scharfen Kristallen und die Dunkelheit ihn einholt und umschließt.

 


26.01.2018

Ob dies alles sei, fragst du, und ich fühle deine Beklommenheit, die ist wie die meine, nur aus völlig anderem Grund, und ich antworte, ja, ich denke schon, und fasse dabei nach der Tischkante, berühre das Display meines Smartphones und ein Bild leuchtet mir entgegen, zwei Augenpaare, eines in dunklem braun, eines in hellem Grau, und ich sehe, dass auch dein Blick ihr lächeln erfasst, ja, wiederhole ich, die Stimme blass, was uns betrifft schon – aber ich hoffe, dass wir es ihnen gemeinsam erklären können.